Mannheim/Rhein-Neckar, 15. Dezember 2014. (red/cb) Carolin Beez (18) war auf dem Weihnachtsmarkt. Kindheitsgedanken. Bunte Lichter, ungewohnte Gerüche. Sie hat sich drauf gefreut. Vor Ort war es dann aber doch nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat. Sie schreibt ihrer Freundin in Brasilien, wo es gerade heiß und schwül und gar nicht weihnachtlich ist, weil die wissen möchte, wie weihnachtlich es bei uns ist.
Liebe Freundin,
gestern haben mich meine weihnachtlichen Gefühle überrannt. Mit dem Gedanken daran durch kleine Gassen zu schlendern, dem Duft von Spekulatius und Plätzchen zu folgen, ein paar Weihnachtsgeschenke zu kaufen und vielleicht mit dem ein oder anderen Weihnachtslied auf das Fest eingestimmt zu werden, fuhr ich zum Weihnachtsmarkt.
Meine heimeligen Gefühle und die Realität haben leider gar nichts miteinander zu tun. Die kleinen Gassen sind nicht klein, sondern schmal und für die Menschenmassen, die sich tagtäglich auf dem Mannheimer Weihnachtsmarkt am Wasserturm einfinden, eindeutig viel zu eng. Man wird durchgängig angerempelt und kann von Glück reden, wenn das Gegenüber seinen Glühweinbecher schon leer getrunken hat, ansonsten landet der Inhalt auf der eigenen Jacke. Warum tut man sich das an?!
Besinne Dich, sage ich mir
“Na gut”, denke ich mir, wir haben Weihnachten – das Fest der Liebe – “also besinne dich, atme durch und reg dich nicht auf”.
Doch dann wird man wieder einmal von hinten angerempelt, rempelt man ungewollt nach vorne und bekommt vom Vordermann einen mürrischen Blick zugeworfen. “Geht’s noch?”, hat mich einer gefragt. Hallo, wo ist denn die Besinnlichkeit hin verschwunden? Auch der Duft nach Lebkuchen und Weihnachtsplätzchen bleibt aus, stattdessen riecht es nach Bratfett und verbranntem Essen – romantisch geht anders. Und dann, zum Schluss, die Preise.
An einem Laden steht ein Mädchen vor mir, “Was kostet die Mütze?” fragt sie. “30 Euro”, antwortet die Verkäuferin. Das Mädchen schaut sie an: “Ne, dann nehm’ ich sie nicht, bei XX (hier einen Laden denken) gibt’s die gleiche für fünf.” Ich meine nicht, dass man die Herstellung von Billigware im Ausland unterstützen sollte, aber überteuerte Preise helfen da auch nicht weiter.
Während meines gestrigen Besuchs habe ich mir also die Frage gestellt: Warum sind die Menschen eigentlich hier, wenn es doch ziemlich stressig, überfüllt, teuer und zu allem Überfluss auch noch verdammt kalt ist? Warum bin ich hier?
Die Antworten waren nicht sehr zufriedenstellend: “Wir kommen jedes Jahr hier her, das ist einfach so eine Tradition”, ist die erste Antwort, die ich von einem der Besucher erhalte. Und, liebe Freundin – eigentlich ist das auch meine Antwort. Sollte ich lieber mit der Tradition brechen? Aber es ist doch bald Weihnachten und ich hab doch eigentlich so richtig schöne Gedanken daran.
“Die beiden wollen hier immer das große Karussell fahren”, sagt ein Mann und zeigt auf seine zwei kleinen Kinder. “Wir trinken hier ein paar Glühwein, treffen uns mit Freunden und gehen dann noch weiter in die Stadt”, sagt eine Frau mit der dampfenden Tasse in der Hand. Vielleicht braucht man ja den einen oder anderen Glühwein, um sich hier gelassen und “besinnlich” auf das Weihnachtsfest einzustellen. In vinum calidum caritas. Aber soll das wirklich der Sinn eines Weihnachtsmarktes sein?
Christliche Werte?
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich mit 18 Jahren schon wie eine Oma anhöre, die sich “die guten, alten Zeiten” zurückwünscht, stelle ich mir schon die Frage, ob die eigentlichen christlichen Werte, wegen derer wir das Fest Weihnachten in unserer Kultur ja eigentlich feiern, auf den Weihnachtsmärkten nicht verloren gehen. Was meinst Du, liebe Freundin?
Was ist mit Besinnlichkeit und Nächstenliebe, wenn man sich auf dem Weihnachtsmarkt zum “Vorglühen” trifft und danach in die Clubs der Stadt weiter zieht? Oder wenn man an Ständen für teures Geld “abgezockt” wird? Oder muss man das von einer ganz anderen Seite betrachten, denn immerhin bildet der Weihnachtsmarkt, wie auch das Weihnachtsfest eine Tradition in vielen Familien.
Freue mich auf Deine Antwort
Liebe, weihnachtliche Grüße
Deine Caro