Mannheim/Rhein-Neckar, 22. September 2012. (red/pro) Mannheim ist eine Musikstadt und zur Musik gehören Bühnen. Davon gibt es einige, aber keine wie das Nachtcafé “auf der Vogelstang”, die mit so viel ehrenamtlichen Engagement geführt wird und keine Bühne hat. Und das seit 23 Jahren. Näher dran ist das Publikum nirgendwo. Immer freitags um 21:00 Uhr treten hier herausragende Künstler auf – gestern “Duologix” – Thomas Sifflung und Claus Boesser-Ferrari.
Von Hardy Prothmann
Ich war heute seit langem Mal wieder im Nachtcafé auf der Vogelstang. Faszinierend, was Werner Herr und sein Team hier seit 23 Jahren “durchziehen”. Monat für Monat holen sie erstklassige Musiker in diesen eigentlich nicht besonderen Raum, der aber schon lange kein Geheimtipp mehr ist und doch einer bleibt: Das Nachtcafé im evangelischen Gemeindezentrum Vogelstang.
Heute sind Thomas Siffling (Trompete) und Claus Boesser-Ferrari (Gitarre) hier. Zwei sehr unterschiedliche Musiker – der eine jung, der andere etwas älter. Der junge eher kommerziell, der ältere ein Fusionist. Sie spielen mit der Freude zusammen, die mich an Musik immer gereizt hat: zu experimentieren. Sich zu treffen, auszuprobieren.
Reisende
Claus Boesser-Ferrari ist eindeutig der Erfinder des Rhythm ‘n’ Smooth. Er mag es laut und intensiv, aber nur um seine ganz, ganz leisen Töne in einen noch größeren Kontrast zu setzen. Über seine handwerklichen Fähigkeiten muss man nicht viel sagen. Er ist ein perfekter Gitarrist. Erstauntlich, dass er nie “den” Sound gesucht hat, um “richtig” viel Geld zu verdienen. Das hätte er gekonnt. Er ist auch so gut im Geschäft – und sucht weiter die Töne. Das macht ihn super sympathisch. Vor allem, weil er auch das Publikum und den Kontakt sucht. Seine Töne heben ab, er bleibt auf dem Boden. Claus Boesser-Ferrari ist ein reisender Musiker. Und er war schon viel unterwegs, präsentiert farbenfroh und eindringlich dem Publikum seine musikalische “Slideshow” mit immer neuen eindrücklichen Überraschungen. Der Gitarrist ist weitgereist, ob er alles gesehen hat und gezeigt hat? Spannende Frage.
Thomas Siffling ist wie jeder gute Musiker auch ein Reisender. Er ist sehr viel gefälliger als Boesser-Ferrari. Aber er hat auch dieses Ausnahmetalent, mal nen anderen, als den gewohnten Weg zu gehen. Sein Sound ist sein Kapital. Er hat ihn. Den Sound, den man nicht beschreiben kann, sondern nur fühlen. Den man erlebt. Den Sound, der unter die Haut geht. Der berührt und nicht nur unterhält. Der Trompeter ist viel jünger und doch schon lange Profi. Der Unterschied liegt im Profil – Boesser-Ferrari hat seins gefunden und modelliert es. Siffling modelliert und ist noch mehr mit der Suche beschäftigt. Beides ist faszinierend: Einen Gitarristen zu erleben, der vermutlich fast alles spielen kann, aber seins macht und einen Trompeter, der fast alles spielen wird können und noch ein wenig seins sucht.
Duologix experimentiert
Die beiden ergänzen sich als “Duologix” im Spiel und miteinander. Und beide lassen sich mit elektronischen Experimenten auf neue Welten ein. Sie bieten eigene Stücke und interpretieren Klassiker wie Come together auf vollständig überraschende Weise. Die zwei bieten ein sehr schönes musikalisches Erlebnis, dass ich sehr genossen habe. So wie die anderen 120 Gäste im vollbesetzten Nacht-Café auch. Als dritte Zugabe spielen sie spontan Schlaflieder wie “Der Mond ist aufgegangen”. Die Gäste singen mit. Es ist nach 23:30 Uhr. Danach lässt das Publikum die Musiker den Gig beenden.
Das Nachtcafé Vogelstang ist nicht das Blue Note, aber es ist eine feste Adresse für tollen, mit Herz und Spiellust aufgeführten Live-Jazz, ein treues Publikum und eine familiäre Atmosphäre. A good place to be. Danke an die Musiker, das Publikum und das Werner Herr-Team. Hat wie immer sehr viel Freude gemacht.
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