Heidelberg, 08. Februar 2016. (red/nh) In jeder Stadt und in jedem Dorf gibt es ein Rathaus. Warum das so ist? Das Rathaus gehört seit je her zu den wichtigsten Orten einer Stadt. Es repräsentiert die Politik ebenso wie die Gemeinde, es schafft Identität und ist unentbehrliche Anlaufstelle für die Bürger. Wir begeben uns auf Spurensuche und nehmen die Rathäuser der Rhein-Neckar-Region in einer Serie unter die Lupe. Das Rathaus in Heidelberg – ursprünglich ein spätmittelalterliches “Gehuse”. Erst später barocke Repräsentationsarchitektur.
Von Naemi Hencke
Rathäuser sind als Institution seit dem zwölften Jahrhundert nicht mehr aus Städten und Dörfern wegzudenken. Hier werden seitdem überwiegend alle wichtigen wirtschaftlichen Belange einer Gemeinde geregelt. Es ist Sinnbild für das politisches Geschehen und bedeutend als Identitätsstifter der bürgerliche Gemeinde. Es ist die zentrale Anlaufstelle einer Stadt.
Anfangs wurden Zweckbauten wie Tuchhallen, Markthallen und Wohnhäuser zu Rathäusern umfunktioniert; oft am Marktplatz und in der Nähe der Kirche gelegen.
Im Laufe der Zeit wuchsen die Gemeinden beständig und damit auch die Aufgaben des Rates: Viele Städte entschieden sich gegen einen Neubau – wahrscheinlich auch wegen der Kosten – und bauten nach und nach an und um.
Das Heidelberger Rathaus
Die Stadt Heidelberg erlitt schwere Zerstörungen im Pfälzischen Erbfolgekrieg. Auch das erste, ursprüngliche Heidelberger Rathaus konnte nicht gerettet werden und musste in Folge komplett abgerissen werden. Zwischen 1701 und 1703 wurde ein neues barockes Rathaus errichtet. Im Laufe der Geschichte wurde es mehrmals umgebaut und erhielt neue Anbauten, um dem städtischen Wachstum und damit verbundenen Verwaltungsaufgaben gerecht zu werden.
Aus der Schrift “Info über den großen Rathaussaal “geht die eindrückliche Geschichte des Gebäudes hervor:
Spätmittelalterliches “Gehuse” wird erstes Heidelberger Rathaus
“1472 hat die Bürgerschaft, Rat und Gemeinde mit Zustimmung des Kurfürst Friedrichs I. das Gehuse zum Sternen gekauft, um ein Rathaus daraus zu machen. Heidelberg war damals eine mittelalterliche Stadt mit Bürgerhäusern, die mit Fachwerk auf steingemauertem Untergeschoss erbaut wurden.
Orléansscher Krieg verwüstete die Stadt
Ende des 17. Jahrhunderts erlitt die Stadt eine furchtbare Zerstörung durch den Orléansschen Krieg. In dessen Verlauf wurde Heidelberg 1689 zum Teil und 1693 endgültig zerstört und damit auch das kostbare spätmittelalterliche Rathaus.
1701 konnte dank der tatkräftigen Mithilfe des Kurfürsten Johann Wilhelm der Bau des Rathauses und der Wiederaufbau der Stadt aus Schutt und Trümmern beginnen. 1701-1703 wurde das neue Rathaus nach einem Entwurf vom Architekten Flemal und den von Heidelberger Handwerksmeistern ausgeführten Bauausführungen erbaut.
Rathauserweiterung durch Häuserankauf
Anfang des 18. Jahrhunderts brach ein lebhafter Wirtschaftsaufschwung und allgemeine Ausweitung der Verwaltungstätigkeiten aus. Die Ämter waren teilweise in Privathäusern untergebracht. So wurden im Laufe des Jahrhunderts die Häuser angekauft und der Rathausteil (mittlerer Teil) erweitert und 1887/88 der nördliche Teil. Bauliche Erweiterungen wurden auf lange Jahre nicht mehr vorgenommen – man kaufte die Häuser an – lediglich an der Innenausstattung des Bürgerausschusssaales wurde noch weiter gearbeitet.
Am 30.12.1890 wurde der Saal eingeweiht. Jetzt hatte die Stadt einen Repräsentationssaal im gleichen Stil wie die Universität seit 1886 in ihrer Aula.
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Rathausbrand am Rosenmontag
Nach 1890 wurde auf lange Jahre am Rathaus nicht weitergebaut. Beim großen Rathausbrand am Rosenmontag 1908 stürzte der Dachstuhl am Mittelbau und Eckbau ein und beschädigte das oberste Stockwerk. Die Ursache des Feuers ist bis heute unklar.
Die Brandkatastrophe von 1908 zwang zu einem raschen Entschluss, ob im Renaissancestil weitergebaut werden sollte oder ob die von Flemal angegebene Architektur respektiert wird. Es wurde ein Wettbwerb ausgeschrieben, nachdem entschieden wurde, dass auf den alten mittleren Baustil [Neubarock] zurückgegriffen wird.
In den Jahren zwischen 1959 und 1961 wurde das Rathaus bis zur oberen Möchgasse erweitert und Mitte der 70er Jahre eine letzte größere Renovierung der großen Eingangshalle vorgenommen. Seit 2004 ist der gesamte Rathauskomplex barrierefrei.
Sanierungen
In beiden Gebäudeteilen wurden in den 1990er Jahren die Decken der Dachgeschosse zur Speicherfläche hin und die Dachfläche isoliert.
Im Altbau wurden die Bürofenster durch Isolierglasfenster und zusätzliche Kasten bzw. Vorsatzfenster modernisiert. Für den Neubauteil ist der Austausch der Fenster für 2016 geplant.
Energetische Sanierungen an den Fassaden wurden bisher noch nicht durchgeführt.
Räumlichkeiten/Nutzungen
Im Heidelberger Rathaus befinden sich Büros, die Räume für die Fraktionen im Erdgeschoss, die Sitzungssäle, Besprechungs- und Schulungsräume, das historische Trauzimmer und die Hausdruckerei.
Erreichbarkeit
Das Heidelberger Rathaus ist mit der Buslinie 33 (Haltestelle Rathaus/Bergbahn) direkt an das ÖPNV-Netz angebunden. Auch die Haltestellen Alte Brücke (Buslinie 35) oder Universitätsplatz (Buslinien 31, 32) sind fußläufig erreichbar. Der S-Bahnhof Altstadt/Südstadt ist fußläufig etwa zehn Minuten entfernt und über die Buslinien 33 und 35 aber ebenfalls gut an das Rathaus angebunden.
Für Autofahrer stehen in den nahegelegenen, ausgeschilderten Parkhäusern P12 Kornmarkt oder P13 Karlsplatz Parkplätze zur Verfügung. Beide Parkhäuser haben durchgängig geöffnet. Infos über die Verfügbarkeit von Stellplätzen bietet das Online-Parkleitsystem: parken.heidelberg.de.
Zugänglichkeit
Der Altbau des Rathauses ist über eine Rampe vor dem Haupteingang und einen Aufzug im Gebäude barrierefrei erreichbar. Hier befinden sich die für die Öffentlichkeit wichtigen Räume und Ämter: beispielsweise Sitzungssäle, das Bürgeramt sowie das Standesamt. Das Rathausfoyer mit Bürgerservice ist ebenfalls stufen- und schwellenlos zugänglich.
Auch der Neubau des Rathauses ist über einen Aufzug erschlossen. Die Büroräume hier sind allerdings etwas schlechter zugänglich. Die Verbindungsflure zwischen Alt- und Neubau müssen über drei Stufen überwunden werden.
Die Türbreiten zu Räumen und Ämtern sind größtenteils rollstuhlgerecht. Es gibt elektrische Türöffner, drei barrierefreie Toiletten – beispielsweise beim Neuen Sitzungssaal und vor dem Großen Rathaussaal. Es gibt zudem Hilfen für seh- und hörbehinderte Menschen wie zum Beispiel Profilschrift und Piktogramme im Aufzug, Lautsprecheranlagen in den Sitzungssälen. Auf Anfrage sind sogar Gebärdendolmetscher in den Gremiensitzungen möglich.
Service
Unter der zentralen Rufnummer 06221 58-10580 oder der einheitlichen Behördennummer 115 beantwortet der Heidelberger Bürgerservice montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr Fragen zu Leistungen der Stadt Heidelberg sowie zu Bundes- und Landesbehörden.
Für dringende Auskünfte oder Notfälle steht die Nummer 06221 58-10580 auch nach 18:00 Uhr sowie an Wochenenden und Feiertagen zur Verfügung.
Eine Vielzahl an Formularen und Serviceangeboten sind auch unabhängig von Öffnungszeiten als Online-Dienste verfügbar: von A wie Abfallkalender bis Z wie Zulassungsformular, zentral erreichbar über www.heidelberg.de/formulare.
Über die regelmäßig aktualisierte Vorhabenliste erfahren interessierte Bürgerinnen und Bürger, welche Projekte und Vorhaben in Heidelberg anstehen und in welcher Form sie sich persönlich einbringen können: www.heidelberg.de/vorhabenliste.
Seit 2014 können Gäste in der Altstadt auf ein kostenloses WLAN zugreifen.
Für mobile Infos gibt es auch die Heidelberg-App „Mein Heidelberg“. Sie ist kostenlos unter www.meinheidelberg.de sowie im App-Store oder im Android-Market für alle gängigen Endgeräte verfügbar.
Zwei Fragen an Heidelberger Oberbürgermeister Dr. Eckhard Würzner
Herr Dr. Würzner, wie sehen Sie die Gemeinde durch das Rathausgebäude repräsentiert?
Direkt am belebten Marktplatz gelegen, mit Blick auf die historische Altstadt, die weltberühmte Schlossruine und den Flusslauf des Neckars, ist das Heidelberger Rathaus Zentrum der Lokalpolitik und Mittelpunkt der Stadtverwaltung. Das Gebäude aus dem Jahr 1472 vereint Tradition und Moderne, ist optisch eindrucksvoll aber keine „Trutzburg“, sondern ein offenes Haus, in dem Bürgerinnen und Bürger sowie Touristen ein und aus gehen.
Was schätzen Sie besonders daran, Oberbürgermeister zu sein?
Als Oberbürgermeister habe ich die Möglichkeit, Projekte auf den Weg zu bringen und die Entwicklung der Stadt positiv mitzugestalten. Heidelberg ist eine lebendige, weltoffene Stadt der Wissenschaft und Kultur. Ich möchte dazu beitragen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger hier auch in Zukunft wohlfühlen und entfalten können.
Jedes Bauwerk erzählt seine eigene Geschichte, voller bemerkenswerter Wendungen und spannender Details. Darum portraitieren wir in lockerer Folge die Rathäuser der Region, die für jeden Ort identitätsstiftend sind.
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