Mannheim/Rhein-Neckar, 09. Januar 2015. (red/pro) Der Mannheimer Morgen steckt wie viele andere Zeitungen in einer großen Krise. 2014 wurde der Abbau von 40 Stellen verkündet, gleichzeitig startete man billigsten Boulevard-“Journalismus” unter den Adressen mannheim24.de und heidelberg24.de. Ein neuer Kopf hat am 1. April 2014 als Lokalchef angefangen und ist nun seit 1.1.2015 Gesamtchefredakteur. Als Lokalchef hat Dirk Lübke für jede Menge Aufregung gesorgt – was darf man weiter erwarten?
Von Hardy Prothmann
Wenn Dirk Lübke und ich uns begegnen, geben wir uns artig die Hand. Der Druck ist fest und direkt. Der Blick geht in die Augen. Die Körper haben Spannung. Wir begegnen uns also “respektvoll” nach dem Protokoll. Das ist auch vollkommen in Ordnung so.
Tatsächlich gibt es bei diesen Begegnungen auf “Augenhöhe” gravierende Unterschiede. Herr Lübke war schon mehrmals Chefredakteur irgendwo und ist das jetzt aktuell in Mannheim, aber er zieht auch gerne mal weiter.
Ich war noch nie Chefredakteur früher irgendwo, sondern war immer freier Journalist aus Überzeugung. Und die ist für mich meine Heimat.
Seit 2009, als ich das heddesheimblog.de gestartet habe, bin ich “verantwortlicher Redakteur” – eben auch für andere. Dann kamen weitere Ortsblogs dazu, das Rheinneckarblog.de als regionale Seite seit 2011. Und weil viele das einfacher verstehen, nenne ich mich halt auch Chefredakteur, im Betrieb setze ich auf Köpfe. Wer ein Thema macht und gute Ideen hat, ist “Chef”. Ich bringe mich dann nur mit meiner Erfahrung ein.
Journalismus, so wie ich den gelernt habe, ist ein sehr verantwortungsvoller Beruf. Dazu gehört auch, dass Journalisten gegenseitig ihre jeweilige Leistung achten. Das ist durch den Mannheimer Morgen auch nicht ansatzweise gegeben. Und das ist sehr bedauerlich, weil die Zeitung nicht bereit ist, viele eigene Fehlleistungen kritisch zu betrachten und schon gar nicht auch nur ansatzweise unsere journalistische Leitung anzuerkennen. Was die Zeitung umtreibt: Nur ja nicht den Namen eines “Konkurrenten” nennen.
Das ist “journalistisch” gesehen eine Todsünde – wer Quellen verschweigt, hat den Job nicht nur nicht verstanden, sondern verrraten. Ist “Systempresse”.
Wir machen unseren Job nicht, um vom MM “anerkannt” zu werden. Wir machen ihn aus Überzeugung, die Menschen gut und nachprüfbar zu unterrichten. Und im Markt um Meinungen als Marktteilnehmer mit allen anderen Medien. Und wir freuen uns sehr über eine junge Leserschaft mitten im Leben.
Aktuell erlebt die Stadt eine Debatte zu “Mannheim sagt Ja”. Die Demonstration am 17. Januar für eine offene Willkommenskultur ist gut, richtig und wichtig.
Nicht gut sind Fehler der Organisatoren und parteipolitische Ränke-Spiele.
Wir haben durch Recherche diese Debatte in Gang gebracht. Wir haben schon viele Debatten angestoßen. Der Mannheimer Morgen trägt aktuell nichts zur Meinungsbildung bei. Das haben wir schon oft erlebt. Die Zurückhaltung hat einen Grund: Wer “nach einem Bericht des Rheinneckarblogs” oder was ähnliches schreibt, könnte große Probleme bekommen.
Herr Chefredakteur Dirk Lübke – ich habe keine Probleme, auf den MM zu verweisen und auch keine, ihn zu verlinken. Wir nutzen den MM im Alltag als eine von vielen Quellen. Tatsächlich auch mit Gewinn, was die Fakten angeht, aber leider sind wir oft über die “Einordnung” enttäuscht. Aber wir respektieren Artikel 5 GG nicht nur, wir verteidigen den auch immer offensiv.
Von Ihnen, Herr Lübke, erwarte ich als neuem Chefredakteur, einen verantwortlichen Austausch mit anderen Medienvertretern. Ich erwarte von Ihnen auch, dass Sie Realitäten wahrnehmen und nicht nur Ihre Rentner-Abos mit Ressentiments bedienen.
Ich erwarte von Ihnen eine journalistische “Competition” – gut recherchierte Artikel, Respekt vor anderen Medien und damit Quellen.
Aktuell sind Sie als neuer Chef gestartet und haben erstmal ne Bauchlandung hingelegt. Ich sage nur Hellen Fischer vs. Charlie Hebdo. Die Chance für ein klares Zeichen, eine eigene Marke als “Chef” haben Sie glatt an die “Fische verfüttert”. Ok, Fehler machen wir alle.
Ich erwarte von Ihnen journalistische Qualität und kein Boulevard.
Leider habe ich den Eindruck, dass alles, was ich gerade mitteilen wollte, bei Ihnen vermutlich nicht ankommt.
Sie werden mit einer guten Abfindung in ein, zwei Jahren weiterziehen und irgendwo anders als “neuer Chef” ankommen und so tun, als wären Sie ein verantwortlicher “Chefredakteur”. Also jemand, der sich verantwortlich Fragen stellt und nicht Anzeigenkunden oder Netzwerke oder nur die eigene Karriere bedient.
Ihr Start als Lokalchef lässt aktuell das Schlimmste befürchten. Falsche Berichte werden eine Woche später durch auf falsche Berichte befeuerte Leserbriefe beantwortet und was sagen Sie zur Kritik? “Wir müssen besser werden.” Und dabei lächeln Sie. Über die Provokation?
Wenn bei mir jemand falsche Berichte schreiben würde, würde der “fliegen”. Sie verantworten eine Woche nach einem falschen Bericht eine Seite mit Leserbriefen auf Basis des falschen Berichts? Wo ist eigentlich Ihre persönliche, journalistische Schamgrenze? Sie haben keine? Ok.
Aktuell sind Sie dran. Ich wünsche Ihnen eine gute Hand, “wir müssen besser werden” als vademecum und ansonsten den MM-Lesern über 60, also dem Durchschnitt, jede Menge “Zumutungen”, denn wenn der MM unter Ihrer Führung nicht dazu in der Lage ist, die Menschen ordentlich mit Hintergründen zu informieren, sind Sie als politischer Chefredakteur ungefähr so wichtig wie Bratpfannenverkäufer oder Bügeleisen-Vorführer.
Herzlichst